In der Unternehmenstransformation wird versucht, ein System von einem Zustand in einen anderen Zustand zu überführen. Das kann auf mehrere Arten erfolgen. Ich kann das System verändern, in dem ich den neuen Zustand genau vorausplane und dann den Schalter umlege, also die gesamte Veränderung auf einmal durchführe. Ich kann ein Parallelsystem erschaffen, dass immer mehr Aufgaben vom Alt-System übernimmt, bis dieses nicht mehr existiert, oder ich kann Schritt für Schritt vorgehen, was einem agilen Vorgehen entspricht. Alle drei Arten haben bestimmte Vor- und Nachteile und Voraussetzungen.

Schalter umlegen

Eine radikale Änderung in einem Schritt funktioniert am besten bei kleinen Unternehmen und wenn es nichts zu verlieren gibt. In großen Unternehmen ist der Aufwand für die Vorausplanung sehr hoch und der Erfolg wird erst nach dem Umlegen des Schalters sichtbar. In dynamischen, komplexen Kontexten passiert es oft, dass der Plan schon vor der Umsetzung (oder schlimmer noch direkt danach) veraltet ist. Je dynamischer das Umfeld, desto größer ist zudem das Risiko des Scheiterns. 

Das Vorgehen ist dann sinnvoll, wenn eine schnelle Veränderung notwendig ist, da das Unternehmen sonst nicht mehr lange überleben würde oder die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter, Produkte und Services überschaubar ist.

Parallelsystem erschaffen

Große Unternehmen mit vielen Altlasten, wie Legacy-Systeme oder langfristige Serviceverträge, versuchen sich gerne an dieser Variante. Es gibt eine Voraussetzung, nämlich dass neue Produkte oder Dienstleistungen entwickelt werden, sodass eine Unabhängigkeit bei der Wertschaffung neuer Produkte oder Services und das Weiterführen der alten erreicht werden kann. Müssen hingegen neu entwickelte Produkte oder Services auf die alten Systeme zugreifen, werden auch die eigentlichen Probleme übernommen und der Übergang wird nicht funktionieren. 

Die Variante ist kostenintensiv und führt regelmäßig zu einer zwei-Klassen-Gesellschaft, da die Belegschaft verteilt und dadurch getrennt werden muss. Manchmal müssen sogar für das neue System Leute eingestellt werden. Zwei Kulturen sind die Folge, die sich nicht vertragen und das Unternehmen verliert Erfahrung und Wissen. Beide Systeme stehen in Konkurrenz zueinander und oft muss das neue System immer mehr vom alten System übernehmen. Das führt dann zu Entlassungen und dazu, dass das neue System immer mehr so wird, wie das alte – bis dann das neue System das alte ist.

Diese Lösung eignet sich daher am besten, wenn die alten Produkte und Services nicht weiterentwickelt oder weiter gepflegt werden müssen und in naher Zukunft auslaufen. Ist dies nicht der Fall, verdoppeln sich die Kosten und das Risiko, durch die steigende Komplexität die eigentlichen Probleme noch zu verschlimmern, statt sie zu lösen.

Nur Teile verändern

Viele Unternehmen, die sich zum ersten Mal an Agilität versuchen, probieren diese erst mal nur in einem Bereich oder mit einem Team aus. Ein vernünftiges Vorgehen. Man kann viel lernen über die Kultur des Unternehmens, die Mitarbeiter, die Strukturen und Prozesse. Problematisch kann es werden, wenn der Versuch nach einem halben Jahr ausläuft. Oft möchten die Mitarbeiter die Art des neuen Arbeitens nicht mehr aufgeben, was regelmäßig zu Konflikten führt. 

Entweder, sie müssen zurück in die alten Strukturen. Dort werden sie dann als arrogant wahrgenommen, weil sie immer wieder auf die Vorteile hinweisen, die sie in dem Experiment erfahren haben. 

Oder aus dem Experiment wird ein „new way of being“ und es kommt zu Problemen in der Zusammenarbeit mit anderen Teilen des Unternehmens, weil sich die Sprache und Weltsicht verändert und nicht mehr kompatibel ist mit dem Rest des Unternehmens. Dem Unternehmen bleibt dann nichts anderes übrig, als weitere Unternehmensteile zu transformieren, Pandora’s Box ist geöffnet.

Zusammengefasst ist also das Problem dieses Ansatzes das Schnittstellenmanagement zwischen den unterschiedlich arbeitenden Teams und ihrer Weltsicht. Gelöst kann das nur werden, indem Abhängigkeiten so weit wie möglich reduziert werden und gleichzeitig ein gemeinsames Verständnis geschaffen wird, durch die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache und regelmäßigen Austausch. Eine Herausforderung für alle Führungskräfte, müssen sie nun miteinander arbeiten, statt gegeneinander und für glasklare Transparenz und Kommunikation sorgen.

Agiles Vorgehen

Agilissence favorisiert ein langsames, aber kontinuierliches Vorgehen. Dieses ist vor allem bei mittleren und großen Unternehmen sinnvoll, die ihre Intention (Innovations-, Reaktions- und Umsetzungsgeschwindigkeit ausbalancieren wollen in kleinen, kontinuierlichen Schritten. Die Chance dabei ist, alle Mitarbeiter mitzunehmen und an stetige Veränderung zu gewöhnen, es kann aber auch zu Veränderungsmüdigkeit und Frust führen, wenn das Vorgehen nur zögerlich oder mit einem falschen Timing erfolgt. 

Bei Agilissence wird in jedem Schritt genau ein Impuls ausgelöst in genau einem Wirkbereich. Nur so können wir verstehen, was dieser Impuls auslöst und warum. Das ist gerade dann wichtig, wenn es zu unvorhergesehenen und unerwünschten Auswirkungen kommt, was regelmäßig passiert. Der Impuls entfaltet interessanterweise, vor allem im nächsten Wirkbereich die größte Wirkung, nicht in dem Wirkbereich, in dem er ausgelöst wurde. Mit einem Impuls im Umfeld löse ich also am meisten Wirkung in der Struktur aus usw. Beachte ich diese Regel, löse ich die größte Wirkung mit dem kleinsten Aufwand aus! 

Dieses Vorgehen wird von der Führung als langsam empfunden, von den Mitarbeitern als ermüdend und belastend – wenn die einzelnen Impulse nicht schnell zu einer Verbesserung führen. Gerade in der Anfangszeit müssen daher die Impulse sehr sorgfältig ausgewählt werden, bis Vertrauen in dieses Vorgehen aufgebaut ist. Dann kann es an Geschwindigkeit zunehmen und innerhalb von 3–6 Monaten eine überraschend große Wirkung entfalten.