Mentale Modelle

Ein mentales Modell ist eine vereinfachte Art zu verstehen, wie etwas funktioniert. Es ist eine Darstellung der Realität, die uns hilft, Ereignisse zu erklären und vorherzusagen.

Mentale Modelle werden oft mit Landkarten verglichen. Genauso wie eine Karte eine Vereinfachung des Gebiets ist, das sie darstellt, ist ein mentales Modell eine Vereinfachung der Realität. Und so wie wir Karten benutzen, um uns in unbekanntem Gebiet zurechtzufinden, benutzen wir mentale Modelle, um uns einen Reim auf die Welt um uns herum zu machen.

Es gibt alle möglichen Arten von mentalen Modellen, von einfachen Faustregeln ("wenn es zu schön ist, um wahr zu sein, ist es das wahrscheinlich auch") bis hin zu umfassenden Theorien (wie Darwins Evolutionstheorie).

Das Wichtigste ist nicht das spezifische mentale Modell, das du verwendest, sondern ob es die Realität genau widerspiegelt oder nicht. Ein mentales Modell, das nicht mit der Realität übereinstimmt, ist wie eine Landkarte, die nicht mit dem Gebiet übereinstimmt - sie kann dich in die Irre führen.

Das mentale Modell der Maschine

Das klassische Unternehmen wird mit dem mentalen Modell der Maschine gegründet

In den frühen Tagen der industriellen Revolution waren Unternehmen wie Maschinen organisiert. Die Fabrikhallen waren in verschiedene Bereiche unterteilt, die jeweils über spezialisierte Arbeiter und Geräte verfügten. Diese Arbeitsteilung ermöglichte es den Unternehmen, große Mengen an Produkten schnell und effizient zu produzieren und ist gut geeignet in komplizieren Kontexten.

Diese Organisationsstruktur hatte jedoch auch einige Nachteile. Der offensichtlichste war, dass sie nicht viel Flexibilität zuließ - wenn ein Unternehmen seine Produktion ändern wollte, musste es oft komplett seine Fabrikhalle umorganisieren.

Ein weiterer Nachteil war, dass die Beschäftigten oft wie Rädchen in einer Maschine behandelt wurden und kaum die Möglichkeit hatten, kreativ zu sein oder sich einzubringen. Das führte zu einer schlechten Arbeitsmoral und hohen Fluktuationsraten - und somit zu Fragilität.

Das mentale Modell der Zusammenarbeit

In den letzten Jahren hat es eine Verschiebung hin zu so genannten "agilen" Organisationen gegeben. Diese Unternehmen sind in kleinen, sich selbst organisierenden Teams organisiert, die in der Lage sind, schnell auf Veränderungen zu reagieren.

Diese Entwicklung wurde durch die Notwendigkeit vorangetrieben, dass Unternehmen in der heutigen, sich schnell verändernden Welt flexibler und reaktionsfähiger sein müssen, sie haben es mit Komplexität zu tun. Die agile Organisationsstruktur wird diesen Anforderungen besser gerecht als die traditionelle hierarchische Struktur.

Es gibt viele Vorteile des agilen Ansatzes, aber einer davon ist dass es den Beschäftigten ermöglicht, kreativer zu sein und mehr zum Unternehmen beizutragen. Das führt zu einer höheren Arbeitsmoral und einer schnellen Reaktion bei Veränderungen - und somit zu mehr Resilienz.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Denkmodellen ist entscheidend für den Wandel zu einem agilen Unternehmen. 

Überbrückung der Kluft zwischen den mentalen Modellen

Die Veränderung führt weg von der Macht des Einzelnen, hin zu Transparenz und Autonomie des Ganzen. Wenn ich also in der heutigen schnelllebigen Zeit ein dynamisches, widerstandsfähiges oder sogar kreatives Unternehmen gründen will, muss ich das Team über den Einzelnen stellen. Das bringt eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich.

Management von Abhängigkeiten

Der erste Schritt weg von der Maschine hin zum Netzwerk besteht darin, die zahlreichen Abhängigkeiten in der Wertschöpfung überhaupt erst einmal sichtbar zu machen. Das gilt besonders für große Unternehmen. Außerdem gibt es Abhängigkeiten zwischen den formalen, informalen und wertschaffenden Strukturen. Abhängigkeiten zu erkennen und zu reduzieren ist besonders wichtig, denn sie verlangsamen Prozesse und machen sie unkontrollierbar. Beispielsweise kann sich Projekt verzögern, wenn ich auf Komponenten eines Zulieferers warte, während ich Software oder ein Fahrzeug entwickle. Der derzeitige Engpass bei Mikrochips ist ein hervorragendes Beispiel dafür.

Habe ich die Abhängigkeiten visualisiert, zum Beispiel mithilfe von Kanban-Boards, gilt es im nächsten Schritt, sie zu messen:

- Wie viele Abhängigkeiten gibt es im Wertschöpfungsprozess?
- Wie lange wird auf eine Zuarbeit oder Lieferung gewartet?
- Wie oft wird nicht geliefert, was versprochen wurde oder wurden Termine nicht eingehalten?

Aus den Messungen kann abgeleitet werden, wo die Optimierung der Abhängigkeiten großen Einsparpotenzial hat. Im Idealfall werden die Abhängigkeiten sogar aufgelöst, nicht nur reduziert. 

Diese Art von Schnittstellenmanagement ist nicht neu. Umso erschreckender ist es aber, wie oft Management und Teams keine Klarheit über den wirklichen Umfang der Abhängigkeiten haben. Meiner Erfahrung nach liegt das daran, dass die Strukturen und Prozesse implizit als verstanden wahrgenommen werden, obwohl sie es nicht sind. Auch die Standardansätze der Prozess- und Strukturmodellierung in der heutigen, sich verändernden Welt zu komplex und teuer sind, sind die Ergebnisse oft bereits veraltet, bevor sie überhaupt fertiggestellt wurden. 

Mit Kanban-Boards hingegen ist der Echtzeit-Zustand jederzeit sichtbar, denn die Teams sind dafür verantwortlich, die Kanban-Board regelmäßig zu benutzen. Dafür ist eine klare Kommunikation und einen gewisser Reifegrad im Team notwendig. Ansonsten wird das Board nach kurzer Zeit veraltet sein, keine Bedeutung mehr haben und wieder eingestellt werden.

Teamforming

Wenn ich von Reife spreche, meine ich, dass die Teammitglieder ehrlich und offen miteinander umgehen können müssen, ein gemeinsames Ziel haben und über alle notwendigen Fähigkeiten verfügen, um es zu erreichen. Die wichtigste Eigenschaft ist jedoch eine positive Einstellung, bei der das Team an erster Stelle steht, denn nur dann funktionieren die Kanban-Boards wie vorgesehen. Wenn du das geschafft hast, hast du ein agiles Team.

Ein agiles Team ist wichtig, um Abhängigkeiten reduzieren zu können und die eigentliche Arbeit ins Team zu verlagern. Der Haken daran ist, dass so ein Team nur aus bis zu neun Personen bestehen sollte, da ansonsten der Kommunikationsaufwand (Abstimmungen, Alignment, …) zu groß und damit wiederum die eigentliche Wertschaffung verlangsamt wird.

Einen Ausweg bilden „Team Of Teams“, also Teams, die aus Teams bestehen. Das folgt dem Netzwerkgedanken: wie im Kleinen, so im Großen. Es gibt dann zwar immer noch Abhängigkeiten, aber dank des gemeinsamen Ziels und des Vertrauens aller Mitglieder können Engpässe und Hindernisse schnell erkannt und geklärt werden. Gemeinsames Reflektieren (Reviews und Retrospektiven) sorgt dafür, dass das Team der Teams anpassungsfähig bleibt. 

Selbstorganisation

Die Königsdisziplin, um Abhängigkeiten aufzulösen, Entscheidungen schnell zu treffen und die Wertschaffung maximal zu beschleunigen sind selbst-organisierte und selbst-verantwortliche Teams. In diesen werden Entscheidungen selbst getroffen, Konflikte offen und ehrlich ausgetragen und Fehler offengelegt, beseitigt und aus ihnen gelernt. 

Das Schlüsselelement ist, dass das gesamte Team für den Erfolg der Zusammenarbeit sowie für Entscheidungen und Fehler verantwortlich gemacht wird, niemals ein einzelnes Teammitglied. Das hat weitreichende Konsequenzen: Das Team kümmert sich selbst darum, dass alle Mitglieder die notwendigen Fähigkeiten haben, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, hilft sich gegenseitig und hört sich zu. 

Das ist in klassisch ausgerichteten Unternehmen nicht nur auf menschlicher Ebene ein Problem, weshalb es in solchen Teams die Vollzeit-Rolle eines Facilitators gibt, sondern vor allem auch auf organisatorischer Ebene. Die Verzielung der Mitarbeiter ist in klassischen Unternehmen individuell, die Jahresendgespräche und die Insentivierung auch. Um Selbstorganisation zu ermöglichen, ist es notwendig, diese Mechanismen zu überdenken. Erschwert wird das dadurch, dass diese Teamzentrierung weder vom Betriebsrat, noch von den Gewerkschaften und der Gesetzgebung vorgesehen ist. Hier werden natürliche Grenzen erreicht, die in großen Unternehmen nur schwer zu überwinden sind. 

Das soll aber nicht heißen, dass es der Versuch nicht wert ist. Mit Kreativität und Offenheit finden sich oft Lösungen, die dem Ziel der Selbstorganisation näher kommen, als man für möglich hält. 

Zusammenarbeit zwischen Teams außerhalb der Wertschaffung

Kein Unternehmen besteht nur aus wertschaffende Teams. Vertrieb, Marketing und die HR-Abteilung sind meist genauso wenig direkt wertschaffend, wie die Finanz-Abteilung oder der Betriebsrat. Die eigentliche Herausforderung auf dem Weg zu einer agilen Organisation ist es daher, wie verschiedene Teams (inklusive Team Of Teams) miteinander effektiv und effizient zusammenarbeiten können. 

Die für mich am besten funktionierende Lösung dafür stammt aus dem Buch „Team-Topologien“ von Mathew Skelton and Manuel Pais und wurde auch in SAFe übernommen. Teams werden dort unterteilt in Stream-Aligned Teams (wertschaffende Teams), Complicated Subsystem Teams (Spezialistenteams), Platform Teams (Serviceteams) und Enabling Teams (Assistententeams).

Soweit ich weiß, wird normalerweise mit Kanban-Boards nur die Wertschaffung modelliert. Nur der Flight-Level-Ansatz von Klaus Leopold geht weiter und modelliert auch die Strategie- und Kommunikationsprozesse. In Kombination mit den Integratoren von Agilissence können die anderen Teamarten mit in die Modellierung aufgenommen werden. Dadurch wird es einerseits möglich, die Arbeit besser aufzuteilen (und so die komplexen von den komplizierten Teilen zu trennen), andererseits wird ein Dialog forciert, der zu einem besseren Verständnis und zu einer engeren Zusammenarbeit führt.