Definition Maßnahmen

Maßnahmen haben ihren Zweck darin, Strukturen zu koordinieren und verbindliche Abläufe sicherzustellen. Maßnahmen sind definiert als zweckbestimmte Handlungen, die durch eine Regelung bestimmt sind. Eine Maßnahme wird einseitig per Entscheidung beschlossen und alle müssen sich daran halten (wenn es sich nicht um eine Einzelfall-Maßnahme handelt). Interessant finde ich, dass beim beschließen einer Maßnahme immer davon ausgegangen wird, dass man weiß, was das Richtige ist. Oft genug erweist sich das aber als Irrtum. Da man im Nachhinein die Dinge immer rechtfertigen kann, fällt dieser aber nur selten auf. 

Die beschlossene Maßnahme regelt, wie sie umgesetzt werden soll und erwartet dann ein bestimmtes Verhalten. Sie kann nach dem Beschluss nicht mehr infrage gestellt werden und es muss nicht klar sein, welches Ziel damit verfolgt wird. Hauptsache ist, dass sich alle daran halten - die Umsetzung ist also Pflicht. Sollte sie in einem Bereich nicht funktionieren, kann sie nur von der Person (oder dem Komitees) geändert oder zurückgenommen werden, die sie ursprünglich beschlossen hat. 

Durch das Basieren auf Regeln eignen sie sich am besten in einem komplizierten Umfeld, in dem es wenig Überraschungen gibt und Kausal-Zusammenhänge gelten. Dabei haben Maßnahmen einen entscheidenden Vorteil: Mehrere Maßnahmen können gleichzeitig umgesetzt werden. 


Voraussetzungen für Maßnahmen 

Um Maßnahmen erfolgreich umzusetzen, braucht es die Kontrolle. Man sieht das in Berlin beim Falschparken. Es gibt einen Maßnahmenkatalog, aber da niemand die Missachtung überprüft, parkt jeder, wo er will. Damit Kontrolle funktioniert, ist Gehorsam wichtig: Dienst nach Vorschrift. Maßnahmen benötigen außerdem ein lineares Vorgehen: Erst die Entscheidung, dann die Umsetzung, dann die Überprüfung und ggf. Ahndung bei Fehlverhalten. (img)(img)

Definition Experiment 

Ein Experiment hingegen basiert auf einer Theorie oder Hypothese und folgt dem Leitsatz: „Probieren geht über studieren“. Die Theorie oder Hypothese wird mittels eines Experiments überprüft und ausgewertet. Ein Experiment wird in der Regel von allen beschlossen und sollte immer ein Abbruchkriterium enthalten. Hat das Experiment unvorhergesehene, schädliche Auswirkungen, gibt es damit jederzeit die Option, es zu beenden. Das bedeutet aber nicht, dass die Teilnahme an dem Experiment freiwillig ist. Die Auswertung ist nur aussagekräftig und lässt nur dann Rückschlüsse zu, wenn die Beteiligung hoch ist. Ein Experiment gibt einen Rahmen vor und beobachtet dann das Verhalten. Nicht die Umsetzung ist also im Fokus, sondern das Lernen über das System. Hier kommt im Übrigen ein entscheidender Punkt ins Spiel: Echtes Lernen baut auf vorherigen Ergebnissen auf, ist also inkrementiell. Damit ist ein Experiment nie willkürlich oder Aktionismus, sondern hat eine klare Richtung und ein klares Vorgehen. Das Ergebnis eines Experiments führt immer zu einer Entscheidung: - Ist es gelungen, wird es in die Praxis überführt und damit zu einer Maßnahme - Hat es tendenziell die Ziele erreicht, wird es nachjustiert und dann nochmals durchgeführt - hat sich die Hypothese nicht bestätigen, wird daraus gelernt und neue Erkenntnisse über das System gesammelt Experimente eignen sich daher in einem komplexen Umfeld, dass von Unsicherheit geprägt ist und Lösungen sich erst nach und nach herausbilden. Das ist auch der Nachteil gegenüber Maßnahmen: Um zu verstehen, was ein Experiment bewirkt hat, darf immer nur eins nach dem anderen durchgeführt werden. Die Vorteile aber überwiegen: es werden die richtigen Lösungen gefunden, Strukturen, Kommunikation und Abläufe kontinuierlich verbessert, das Vertrauen und die Identifikation gestärkt. 

Voraussetzungen für Experimente 

Damit Experimente funktionieren, braucht es unbedingt das Engagement der Verantwortlichen. Diese müssen das Vorgehen wirklich wollen, sich für die Ergebnisse interessieren und die Ziele gutheißen. Sie müssen sich dafür einsetzen, dass sich alle beteiligen, für Fragen und Bedenken offen sein und das Gespräch suchen. Jedes Experiment soll eine Situation verbessern. Es ist daher wichtig, nicht einfach zusätzlich zum Alltag zu experimentieren, sondern etwas anderes zu ersetzen oder wegzulassen.
Der experimentelle Weg ist unglaublich effektiv, aber nicht effizient - es braucht Geduld und Zeit. Alle Beteiligten sollten sich darauf einstellen, dass eine wirkliche Änderung erst nach 3–6 Monate sichtbar wird und sich das volle Potenzial erst nach 1 Jahr entfaltet, dafür aber in einer nachhaltigen Form und Intensität, die vorher nicht vorstellbar war.

Missverständnisse von Experimenten 

1. Ein gut durchdachtes Experiment baut immer auf vorherigen Erkenntnissen auf und ist damit nicht willkürlich. Es geht nie darum, einfach mal etwas zu probieren, sondern etwas wertvolles zu erreichen. Das kann das Lösen eines Problems sein oder das Erreichen eines erwünschten Zielzustands. 

2. Experimente sollten nie in der Petrischale stattfinden: Es ist gängige Praxis in Unternehmen, Agilität erst mal in einem eigens dafür erstellten Team auszuprobieren (zu experimentieren) und zu schauen, wie es läuft. Das ist aber ein Problem an sich: Das Team löst sich nach dem Experiment wieder auf, vor allem wenn es nur für die Zeit des Experiments zusammengekommen ist. Damit haben die Ergebnisse des Experiments mit dem eigentlichen Alltag aber nichts zu tun und können nicht übertragen werden. Das Unternehmen bekommt zwar ein Gefühl dafür, was mit Agilität erreicht werden kann, kann damit aber nichts anfangen. 

3. Ein Experiment läuft nicht zusätzlich, sondern stattdessen: In Unternehmen, wo die Agilität gleich mit einem operativen Team ausprobiert wird, wird gerne alles andere einfach so weitergemacht. Alle Besprechungen finden weiterhin statt, an den etablierten Prozessen wird festgehalten und die Kommunikation bleibt gleich. Das Experiment ersetzt nicht, sondern kommt hinzu. Überlastung ist die Folge, der Sinn der Experimente wird verfehlt. Ein Experiment sollte nicht zusätzlich, sondern statt anderer Aktivitäten laufen. Wenn Agile sofort mit  operativen Alltag ausprobiert wird, neigt das Team dazu, alles bestehende beizubehalten. Alle Meetings, etablierten Verfahren und die Kommunikation bleiben unverändert. Das Experiment verdrängt nicht die bisherigen Bemühungen, sondern ergänzt sie vielmehr. Überlastung ist die Folge; das Ziel der Experimente geht verloren. Um diese Punkte zu verhindern, müssen Experimente so eingesetzt werden, wie sie ursprünglich gemeint waren: als Teil der wissenschaftlichen Methodik. 

Wissenschaftliches Vorgehen 

Wissenschaftler bemühen sich, aus Beobachtungen Theorien oder Hypothesen abzuleiten. Es wird ein Experiment entworfen und durchgeführt. Danach wird ausgewertet, ob sich die Theorie oder Hypothese bestätigt hat. Aufbauend auf den bestätigten Theorien und Hypothesen können dann Maschinen gebaut, Unternehmen geformt oder Menschen geschult werden. Diese Methode hat uns Medikamente, Strom und den Computer entwickeln lassen. Warum sollte sie also in Unternehmen nicht funktionieren? 

Zwei Ansätze der wissenschaftlichen Methode 

Es gibt zwei Unterschiede zwischen dem klassischen, wissenschaftlichen Ansatz und dem Ansatz von agiler Transformation bei Agilissence. 

1. Beim klassischen Vorgehen geht es um genau eine Theorie oder Hypothese, das Lernen iteriert zwischen dem Entwurf des Experiments und der Auswertung. Der Fokus ist somit bei der Wissenserzeugung über die Hypothese oder Theorie. 
Beim agilen Vorgehen gibt es wegen des Transformation-Boards mehr als eine Hypothese und die Auswertung ist meist auch gleich die nächste Beobachtung. Die Iteration umschließt also auch die Hypothesenbildung. Damit verschiebt sich der Fokus bei der Wissenserzeugung auf die Wertschaffung, nicht auf die Hypothese an sich. Eine Hypothese kann falsch sein und trotzdem zu mehr Wertschaffung führen. In diesem Fall wäre das Experiment ein Erfolg.

2. Der zweite Unterschied bezieht sich auf den Entwurf des Experiments. Selbstverständlich liegt auch beim klassischen Vorgehen nicht immer das richtige Experiment zur Überprüfung auf der Hand. Die Vorbereitung, um die Hypothese zu prüfen, steht aber im Mittelpunkt. Beim Vorgehen mit Agilissence geht es immer um ein „create“, also um die Kreativität, um möglichst viele Ideen für Experimente zu finden und dann zu priorisieren. Auch wenn der Unterschied klein ist, hat er große Auswirkungen in der Praxis, weil im Fall von Agilissence alle Mitarbeiter bei der Ideenfindung beteiligt werden (was Engagement auslöst) und die Ideen oft überraschend inspirierend sind.