Wenn ich darüber lese, warum Unternehmen sich verändern wollen, geht es meist um einen Druck von außen. Ein Wettbewerber hat zum Beispiel ein neues Produkt entwickelt, was mir Marktanteile wegnimmt, die Kunden sind unzufrieden mit meinem Produkt oder die gesetzlichen Sicherheitsrichtlinien haben sich verändert.

Die typischen externen Probleme, die ich bei meinem Kunden erlebe, sind:

- wenig Attraktivität für Bewerber

- Schlechtes Image

- Fehlender Kundenfokus

- Kein oder zu langsames Anpassen auf Krisen

- Umsatz- oder Relevanzeinbußen durch besser agierende Konkurrenten

- zu langsame oder qualitativ schlechte Produktentwicklung im Vergleich zum Markt

Spannend dabei ist, dass es sich ausnahmslos um Probleme der Effektivität handelt, nicht der Effizienz. Es handelt sich um Probleme bei der Anpassungsgeschwindigkeit, nicht der Optimierung. Das ist vielen meiner Neukunden aber nicht klar, denn sie wollen am Anfang unseres Gesprächs fast ausnahmslos schneller werden in der Umsetzung, nicht in ihrer Reaktion auf das Umfeld oder bei der Innovationsgeschwindigkeit. 

Aus meiner Sicht ist das der Punkt, warum Change-Initiativen häufig scheitern. Durch eine unklare oder falsche Intention werden die falschen Methoden verwendet (oder die Methoden falsch verwendet) und die Ergebnisse der Initiative bleiben nach anfänglicher Euphorie hinter den Erwartungen zurück oder verschlechtern sogar die Gesamtsituation.

Bei den internen Problemen sieht es nicht besser aus. Eine Analyse bringt hier typischerweise folgende Probleme ans Tageslicht:

- Fehlende, aber notwendige, Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und Teams

- Keine oder unklare Kommunikation zwischen den Ebenen, Abteilungen und Teams

- Langsame und schlechte Entscheidungen

- Mangelnde Übernahme von Verantwortung für die eigenen Entscheidungen und Handlungen

- Doppelte oder nicht abgestimmte Arbeit

- Handlungen, die den Interessen des Unternehmens zuwiderlaufen

- Beschäftigung mit sich selbst, anstatt mit dem Kunden 

- Zuviele sinnlose Meetings mit zu vielen Teilnehmern

- Fehlendes Vertrauen untereinander

- Fehlende Mitarbeitermotivation 

- Abwandern von Mitarbeitern

Auch hier gibt es meist der Ruf nach einer Effizienzsteigerung. Das reicht aber nicht. Verbessere ich beispielsweise die Kommunikation, aber spreche über die falschen Dinge, habe ich nichts erreicht. Auch schnell getroffene schlechte Entscheidungen bleiben schlechte Entscheidungen. Führt mehr Zusammenarbeit zu noch mehr Besprechungen, wird die Wertschaffung noch mehr verlangsamt usw.

Jeff Sutherland, der Mitbegründer von Scrum, sowie der Großteil der agilen Community, verkauft mittlerweile die agilen Methoden für eine Effizienzsteigerung und ich habe mich in letzter Zeit darüber mit einigen agilen Coaches und Beratungsfirmen ausgetauscht. Fast immer hieß es, der Kunde bekommt, was er will. Auf meinen Einwand, dass der Kunde aber vielleicht etwas anderes braucht, bekam ich oft die Antwort, dies ließe sich dem Kunden nicht vermitteln und man bräuchte die Aufträge, man müsse doch von irgendwas leben.

So verständlich dieser Grund ist, so schädlich ist er – für die Kunden genauso, wie langfristig für den Ruf von Beratern / Coaches. Tatsächlich stecken wir nach meiner Meinung deswegen in einer Vertrauenskrise zwischen Unternehmen und Beratern / Coaches. 

Ich kann ein Unternehmen auch innerhalb von 3 Monaten um den Faktor 2–4 schneller in der Umsetzung machen, indem ich Abhängigkeiten reduziere und fachliche Entscheidungen von der Führung auf die Mitarbeiter verlagere. Die Probleme, die ich oben aufgelistet habe, löst das aber nicht, jedenfalls nicht lange! 

Ich kenne viele Unternehmen, die seit über 3 Jahren transformieren und sich wundert, warum es eigentlich nicht vorwärtsgeht. Die meisten Unternehmen haben in der Zeit zwei bis dreimal die Berater / Coaches ausgetauscht und doppelt so viel Methoden und Frameworks ausprobiert. Auf der anderen Seite kenne ich kaum Kollegen, die länger als sechs bis zwölf Monate mit ihren Kunden arbeiten, bevor sie ausgetauscht oder wegrationalisiert werden. 

Der Grund dafür ist, dass die meisten aktuellen Probleme mit Effektivität zu tun haben, nicht mit Effizienz! Effektivität bedeutet aber, dass ich Zeit und Raum geben muss. Konkret dürfen die Mitarbeiter, außer natürlich in Ausnahmefällen, nur zu 80 % ausgelastet sein. Sie müssen sich entfalten können, mit modernen Tools und einem Rahmen, statt Regeln. Auslastung und Umsetzungsgeschwindigkeit stehen bei Wissensarbeit in keinem Zusammenhang, Regeln neigen dazu, Lösungen zu verhindern.

Was den Wissensarbeiter vom Industriearbeiter unterscheidet, ist einerseits, dass mit den richtigen Methoden und Tools die gleiche Arbeit schneller erledigt werden kann. Dafür muss es aber möglich sein, die Methoden und Tools zu wählen, die auf die Person bzw. auf das Team passen. Andererseits ist es die Kreativität. Wissen ist jederzeit im Internet verfügbar. Wie jemand denkt und auf Lösungen kommt, ist hingegen einzigartig. Diese Kreativität ist es, die zu besseren Prozessen führt, zu besseren Ergebnissen und zu mehr Schnelligkeit. Nur so wird ein Unternehmen langfristig den Markterfolg sichern. Kreativität braucht aber Handlungsspielraum, statt volle Kalender und überladene Backlogs.