Nassim Taleb hat in seinem Buch „The Black Swan“ das Konzept der Antifragilität eingeführt. Er argumentiert, dass einige Dinge im Leben zerbrechlich oder robust sind, aber nicht antifragil. Zerbrechliche Objekte werden durch Volatilität und Chaos geschädigt. Robuste Objekte überstehen Volatilität und Chaos gut. Antifragile Objekte werden mit Volatilität und Chaos besser.

Antifragilität ist also eine Eigenschaft von Systemen, die ihre Fähigkeit erhöht, Stressfaktoren, Schocks und Volatilität zu widerstehen und sich davon zu erholen und sogar stärker werden.

Ich glaube, dafür muss  man vorbereitet sein, und das bedeutet aktiv werden, bevor ein Problem, eine Krise oder eine böse Überraschung passiert.

Wenn ich zum Beispiel eine Reise durch die Sahara mache, gehe ich nicht einfach los. Ich packe unter anderem Wasser und eine Decke ein, um meinen Durst löschen zu können und auf starke Temperaturunterschiede reagieren zu können. Einfach nur zu reagieren, wenn ich Durst habe oder es kalt wird, sichert mein Überleben nicht. Ich muss mich frühzeitig vorbereiten, auf vorhersehbares und möglichst auch auf unvorhersehbares.

Um auf Unvorhergesehenes vorbereitet zu sein, muss ein Unternehmen Kreativität fördern, Gefahren erkennen, moderat Stress erzeugen und in wichtigen Bereichen Redundanzen aufbauen.

1. Kreativität fördern


Um mit bösen Überraschungen und Krisen aktiv statt reaktiv umzugehen, braucht es Ideen, Innovationen und eine Kultur des Experimentierens, um Ideen und Innovationen ausprobieren, bewerten und daraus lernen zu können. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass das ein Muskel ist, den man trainieren kann.

In dutzenden Design-Thinking-Workshops habe ich erlebt, wie sich Teilnehmer in der Brainstorming-Phase zunächst überfordert fühlten und deshalb nur eine Handvoll Ideen generierten. Nach einiger Zeit der Zusammenarbeit haben sich Anzahl und Qualität der Ideen deutlich verbessert. 
Der Geist muss sich erst darauf einstellen, nicht gleich alles zu analysieren und zu bewerten, sondern aus verschiedenen Bereichen Lösungen zu übertragen und wild zu denken. 
Nur so entwickelt sich ein kreativer Geist, der in einer Krise schnell Vorteile erkennen, bewerten und umsetzen kann. Das braucht Übung. Vorbereitet sein heißt, sich die Zeit und den Raum zu nehmen, den Muskel der Kreativität zu entwickeln, Ideen zu generieren und sich mit anderen darüber auszutauschen.

2. Gefahren erkennen


Gefahren können nur erkannt werden, wenn ich die Zeit und die Fähigkeiten habe, die Welt aus verschiedenen Perspektiven und innerhalb und außerhalb meines Systems wahrzunehmen. Dazu ist es notwendig zu verstehen, was im Umfeld auf das System einwirken kann (z. B. andere Marktteilnehmer, Lieferanten, politische Entscheidungen, ...) und dann aktiv zu beobachten und Rückschlüsse auf Entwicklungen zu ziehen. 
Interessant ist, dass häufig die Gefahren innerhalb des Systems unterschätzt werden. Das können zum Beispiel Mitarbeiter sein, die innerlich schon gekündigt haben, Prozesse, die ineffizient und ineffektiv sind, zu 100 % ausgelastete Mitarbeiter, usw. Nur wer die Gefahren kennt und sich ihnen frühzeitig stellt, kann die richtigen Entscheidungen treffen und erwarten, dass andere diese auch umsetzen können.

3. Stresstests


Ein Unternehmen besteht aus Aspekten, die zusammenspielen müssen und in Krisen nicht auseinanderfallen dürfen. Diese Aspekte sind die Strukturen (Formale -, Informale -, Wertschaffende -, Macht – und Kommunikationsstrukturen), Handlungen (innovative, adaptive, wertschaffende Prozesse), die Weltsicht der Mitarbeiter und die Motivation des Unternehmens, der Teams und jedes Einzelnen. All diese Aspekte können in ruhigen Zeiten in Schwingung versetzen werden um herauszufinden, wie sie unter Last und bei Überraschungen reagieren. Das eröffnet die Möglichkeit, das Unternehmen zu stärken, so wie durch Training der eigene Körper gestärkt wird.

4. Redundanzen nutzen


Redundanzen sind berüchtigt dafür, überflüssig und teuer zu sein. Deshalb sind sie ein so unbeliebtes Thema. Wir haben gelernt, sie zu vermeiden (außer in lebenswichtigen Bereichen, wie zum Beispiel der Luftfahrt). Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille. Bei unvorhersehbaren, negativen Überraschungen und Krisen können Redundanzen das Unternehmen retten oder genutzt werden, um einen Vorteil aus der Situation zu ziehen. 
Redundanzen müssen auch nicht ineffizient sein. Wenn zum Beispiel unabhängig voneinander zwei Teams zwei Lösungen (Konzepte, Produkte, Services o. ä.) entwicklen, kann die bessere Lösung ausgewählt oder beide Lösungen kombiniert werden. Durch einen Dialog zwischen den Teams wird darüber hinaus die Fähigkeiten beider Teams gefördert, schneller bessere Lösungen zu entwickeln. 
Dann gibt es nicht nur eine bessere Lösung, als wenn nur ein Team daran gearbeitet hätte, sondern auch besser befähigte Teams, die zukünftig noch bessere Lösungen entwickeln werden. Am Ende ergibt sich einen Wettbewerbsvorteil, der die Kosten mehr als aufwiegt.